Herausforderungen im Maßregelvollzug

Neben dem Strafvollzug für Straftäterinnen und Straftäter gibt es für Psychisch- und Suchtkranke den Maßregelvollzug. Dieser steht, nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern bundesweit, vor großen Herausforderungen. Immer mehr Kapazitäten werden aufgrund von steigenden Zahlen der zu behandelnden Patientinnen und Patienten benötigt und geschaffen, während gleichzeitig die Verweildauer ansteigt. Ein damit zusammenhängendes Problem ist das hohe Maß an vermehrten Einweisungen seitens der Justiz.

Derzeit gibt es im Maßregelvollzug Sachsen-Anhalt 443 Plätze. Anfang des Jahres 2023 waren diese bereits mit mehr als 500 Patientinnen und Patienten belegt. Durch die geplanten Neubauten sollen 633 Plätze zur Verfügung stehen, doch nach Hochrechnung beträgt die Zahl von Patientinnen und Patienten im Jahr 2026 bereits 670. Das führt dazu, dass die sich aktuell im Bau befindenden Kapazitäten bereits heute faktisch ausgelastet sind und teilweise nicht ausreichen werden. Sachsen-Anhalts Schwerpunkt bestand bisher aus der reinen Fokussierung auf der Erweiterung von Kapazitäten, um die steigenden Zahlen unterbringen zu können, jedoch nicht auf dem wichtigeren Aspekt der Konzeptentwicklung zur Verkürzung der Verweildauer. Gerade diese ist in den vergangenen Jahren angestiegen und stellt ein zentrales Problem dar. Sachsen-Anhalt ist hier bundesweit mit an der Spitze.

Verweildauer und Qualitätsprobleme in der Therapie

Um dies zu ändern, brauchen wir eine langfristige Perspektive für den Maßregelvollzug in Sachsen-Anhalt, welche sich weg von andauernden Kapazitätserweiterungen oder langen Verweildauern hin zu einer qualitativ hochwertigen Therapie im Sinne der Wiedereingliederung in die Gesellschaft bewegt. Gerade die Dauer des Aufenthalts muss verkürzt werden. Hierfür ist es unabdingbar, dass ausreichend qualifiziertes Personal und Therapieangebote für die Patientinnen und Patienten gegeben sind.

Der Psychiatrieausschuss, welcher in jedem Jahr einen Bericht abgibt und im Sozialausschuss vorstellt, hat in den Jahren 2022 und 2023 einen Fokus auf die Probleme im Maßregelvollzug gelegt. Ein Schwerpunkt lag auf dem therapeutischen Anspruch, welcher laut dem Psychiatrieausschuss in den vergangenen Jahren abgenommen habe. Häufige Wechsel der Therapeutinnen und Therapeuten, keine Langfristperspektive und dementsprechend häufigere Abänderung der Therapieansätze sind einige Aspekte, welche dabei genannt wurden.

Langfristige Lösungen und Forderungen

Doch was, wenn Patientinnen und Patienten austherapiert sind und die möglichen Therapieangebote keine Erfolgschancen mehr versprechen? Dieser Frage muss sich ebenfalls gestellt werden. Alle Menschen haben die Chance für ein selbstbestimmtes Leben und so auch diese Personengruppe. Jedoch muss hier klar unterschieden werden: Gefährdet die Person sich selbst und/oder die Gesellschaft? Sollte dies der Fall sein, soll auch weiterhin der Verbleib im Maßregelvollzug realisiert werden. Ist dieses Gefahrenpotenzial nicht gegeben, sollte versucht werden, den direkten Maßregelvollzug zu entlasten. Hierfür bedarf es speziellen Rückzugsorten, Betreuungsangeboten sowie begleitenden Behandlungsansätzen.

Neben der Therapie im direkten Maßregelvollzug sind auch die Wiedereingliederungsangebote bzw. die Nachsorge wichtige Stützen für eine gelingende Rückkehr in die Gesellschaft. Aktuell sind die Angebote überschaubar und häufig überlastet. Gerade für Personen des § 63 StGB (Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus) ist die Suche nach geeigneten Plätzen von vielen Problemen gekennzeichnet.

Um dies zu lösen, fordern wir Freie Demokraten die Landesregierung dazu auf, ein Konzept zu entwickeln, welches neben kurzfristigen Kapazitätssteigerungen auch mittelfristige und langfristige Maßnahmen zur Qualitätssicherung in den Fokus nimmt. 

Dabei sehen wir folgende Schwerpunkte: 

Austherapierte Patientinnen und Patienten müssen individuell und in Abwägung des möglichen bestehenden Gefährdungspotenzials eingeschätzt werden, um trotz dessen die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben geben zu können.

Entwicklung langfristiger Therapieansätze und Konzepte, um den Patientinnen und Patienten eine Perspektive zu geben und die Verweildauer möglichst gering zu halten (inhaltlich-fachliche Verbesserungen mit dem Ziel einer Verringerung der durchschnittlichen Verweildauer);

Externe und unangekündigte Qualitätskontrollen, um Standards und qualitätssichernde Maßnahmen sicherzustellen. Ebenso sollten externe Supervisionen in gewissen Jahresabständen zu therapeutischen Behandlungen und des Gesamtangebots (bspw. Personalwechsel) durchgeführt werden, welche beispielsweise an den Psychiatrieausschuss angegliedert sein können;

Wechsel der Therapeutinnen und Therapeuten und damit einhergehende Abänderungen der Therapiekonzepte möglichst vermeiden. Sollte es trotzdem dazu kommen, muss hier begründet werden;

Mittelfristig keine weiteren kapazitätserweiternden Maßnahmen, sondern eine Ermittlung und Bekämpfung der Ursachen, wie den Konsum von illegalen Substanzen. Hierbei muss auch der Fokus der Prävention mitgedacht werden;

Nachsorge und Wiedereingliederung von Patientinnen und Patienten im Anschluss an den Maßregelvollzug zu intensivieren und stärker in den Fokus zu rücken. Auch die Kapazitäten der Nachsorge- und Wiedereingliederungsangebote müssen entsprechend angepasst, vorgehalten und wenn nötig ausgebaut werden;